Reisebericht Ecuador - Februar 2024
von Anke Eichhorn
Sechs Jahre waren wir (Familie Eichhorn) nicht mehr in Ecuador. Vor mehr als 14 Jahren hatten wir begonnen das Centro Chaka Wasi aufzubauen. 2012 kamen wir nach Deutschland zurück und besuchten danach ab und zu Ecuador, die Fundacion „Jardín del Edén“ und unsere Freunde.
Wie würde es diesmal sein - gerade in der schwierigen wirtschaftlichen Lage und der Kriminalität im Land? Wie geht es den Menschen und wie läuft die Arbeit der Fundacion Jardín del Edén?
In den Nachrichten wird natürlich berichtet, dass Ecuador sich vom friedlichen Land in einen Drogenstaat wandelt hat. Doch wir wurden herzlich empfangen und konnten uns bei unseren Freunden und Bekannten sicher fühlen. Im Laufe der Zeit stießen wir immer wieder auf solche Kontraste und das macht es nicht einfach, die Lage der Menschen und des Landes zu beschreiben.
In Chaka Wasi leben zur Zeit 13 Jugendliche aus entlegenen Regionen, ohne Unterstützung wenig Chance hätten eine weiterführende Schule zu besuchen – auch aus ökonomischen Gründen. Die Folgen der Pandemie sind noch spürbar. Viel länger als in Deutschland mussten die Schüler*innen im Homeschooling bleiben. Zudem wurden aus wirtschaftlichen Gründen Lehrerkräfte entlassen, damit sind 40 Schüler*innen pro Klasse in städtischen Schulen alltägliche Realität! Trotzdem sind die Jugendlichen von Chaka Wasi gut dabei. Sie haben nach wie vor Schwierigkeiten mit Englisch, aber ein Erzieher studiert Fremdsprachen und so kann er sie dabei unterstützen.
Voller Freude haben wir gesehen, wie grün das Gelände geworden ist. Es wachsen frische Pfirsiche, Mandarinen, Maulbeeren und Gemüse. In den Ställen flitzen wieder 80 Meerschweinchen, nachdem sie im letzten September gestohlen wurden. Sie sollen zur Weiterzucht an die Familien gegeben werden.
Rocío, die Leiterin, organisiert Workshops für die Jugendlichen und für die Eltern. Die Elternarbeit hat wesentlich verbessert und so profitiert die ganze Familie der Jugendlichen vom Centro Chaka Wasi. Bei Hausbesuchen bekommt Rocío einen Eindruck von der Situation und kann mit den Eltern gemeinsam Ideen entwickeln, wie das Leben in den Familie verbessert werden kann.
An einem Tag durften wir Rocío in das Dorf Casa Quemada auf knapp 4000m begleiten. Dabei wurde uns wieder besonders bewusst, warum wir diese Region und ihre Menschen unterstützen möchten: Die sechsköpfige Familie lebt in einem Haus mit einem Zimmer von etwa 15m². Dort steht der Gasherd, ein Schrank und zwei Betten. Ein Bad oder Toilette gibt es nicht. Trotzdem wurden wir dort herzlich empfangen und es gab eine warme Suppe für uns.
Im Kinderheim führte uns Tia Jacque durch die vier Wohngruppen. Zum Glück gibt es wieder Erzieher*innen, die in insgesamt drei Schichten arbeiten: tagsüber, nachts und am Wochenende. Zwar zahlt der Staat aktuell noch nicht für die laufenden Monate, aber die Hoffnung ist groß, dass es ab April einen Fördervertrag gibt und die Gehälter nachgezahlt werden. Den Menschen, die hier arbeiten, sieht man die Ungewissheit nicht an. Sie arbeiten fröhlich und den Kindern zugewandt. Und auch die Kinder begegnen uns aufgeschlossen, fröhlich und neugierig. Auf den ersten Blick sieht man ihre Sorgen nicht.
Bryan, der Leiter des Kinderheimes, sucht immer wieder Wege, Kosten zu sparen. So bekommt er z.B. aus Ambato oft Lebensmittel, die kurz vor dem Verfallsdatum sind.
Bei einem Abstecher in den Regenwald besuchen wir das Programa Chaka in Sucua das bis 2016 zur Fundación gehörte. Hier unterstützt Diego jugendliche Shuar (ein Indigenes Volk im Regenwald) mit Mittagessen und Hausaufgabenhilfe. Nach dem gemeinsamen Mittagessen bekamen wir einen Einblick, wie dankbar die Hilfe angenommen wird. Ohne diese hätten die Schüler*innen große Probleme in der Schule – gerade bei der hohen Schülerzahl pro Klasse.
In vielen Gesprächen erfuhren wir vom Alltag und der verbreiteten Kriminalität und Gewalt bis Januar. Durch den Einsatz des Militärs ist die Lage inzwischen beruhigt. Das Militär kontrolliert Straßen im Küstengebiet und Gefängnisse, wo die Drogenmafia aktiv ist. Die Sorge bleibt, was passiert, wenn das Militär mit dem geplanten Ende des Ausnahmezustandes Anfang April wieder aus den Gefängnissen abgezogen wird.
Insgesamt ist es in der Sierra (Hochland) und im Regenwald ruhiger und sicherer als an der Costa. Die Ausgangssperren sind weitest gehend aufgehoben. Wir konnten ruhig reisen, waren aber vorsichtshalber nicht an der Costa. Doch in Ambato an einem Aussichtspunkt meinte eine Freundin, dass sie dahin auf keinen Fall alleine gehen würde oder falls doch, ohne Handy und Geld.
Tja, wie soll die Lage beschrieben werden? An sich ruhig, aber mit der nötigen Vorsicht. Der Alltag der Menschen ist an sich ruhig. Doch krank sollte am besten niemand werden, denn trotz Versicherung müssen die Familien viele Kosten selbst tragen. Und ein sicherer Job wäre wichtig – denn es gibt viele Arbeitslose.
Viele Jugendlichen haben gerade trotz Ausbildung kaum Perspektiven, einen auskömmlichen Beruf zu erlangen. Daher möchten viele in die USA migrieren oder sind bereits dort. Das macht natürlich nachdenklich.
Was nehmen wir mit nach diesen knapp vier Wochen? Gastfreundschaft und eine große Dankbarkeit, die verbinden uns über viele Kilometer hinweg. Die Dankbarkeit beruht auf Gegenseitigkeit. Natürlich ist die Fundacion Jardín del Edén dankbar über alle finanzielle und ideelle Unterstützung. Wir sind dankbar über die Herzlichkeit und Selbstverständlichkeit der Freunde und Bekannten, die uns an ihrem Leben teilhaben lassen und einen egal wo, zu Hause fühlen lassen.